Prof. Horst Kreschnak (Dresden): Eigentum, Arbeitsteilung, Entscheidungsstrukturen

Eine gemeinsame Veranstaltung in der Reihe Mensch, Technik, Bildung im Computerzeitalter
der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen und des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

Ein Bericht

Die Umbrüche der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Übergang in das Computerzeitalter betreffen in besonders deutlichem Maß auch die Produktionsorganisation. Während es für die industrielle Massenproduktion noch selbstverständlich schien, dass "arbeitsteilige kooperative Tätigkeit innerhalb einer Fabrik Tätigkeit unter einem Kommando sein muss" [Kreschnak], dominieren Begriffe wie "flache Hierarchien", "Outsourcing" und "Dezentralisierung von Verantwortung" die Bücher moderner Managementtheorien.

Diese neuen Organisationsformen sind Ausdruck einer deutlichen Flexibilisierung von Produktion, die den gewachsenen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien Rechnung trägt (und - bei Strafe des Untergangs am Markt - Rechnung tragen muss). Allerdings wird zunehmend deutlich, dass eine einfache Dezentralisierung von Entscheidungsgewalt nach neoliberalen Konzepten dafür nicht ausreicht. Die erforderlichen Entscheidungsprozesse können nicht einfach sich selbt überlassen werden, sondern müssen in bestimmten Rahmen organisiert - genauer: reguliert - werden, was viele Firmen inzwischen bewogen hat, übermäßige Dezentralisierung von Entscheidungsstrukturen zurückzunehmen.

Grund genug für unseren Arbeitskreis, in der Reihe "Mensch, Technik, Bildung im Computerzeitalter" das Thema "Entscheidungsstrukturen" auf die Tagesordnung zu setzen. Mit Prof. H. Kreschnak (Dresden) stand dazu ein ausgewiesener Experte als Diskussionspartner zur Verfügung.

Zunächst beleuchtete der Referent die Komponenten, die in Entscheidungsprozesse eingehen. Entscheidungen werden immer von Individuen getroffen und stellen eine Verbindung zwischen den eigenen Meinungen und Erfahrungen - dem subjektiven Verständnis der objektiven Welt - und "Wünschbarem" her, also Motivationen und Zielen, die unter den gegebenen Umständen als erreichbar betrachtet werden. Wünschbarkeit ist dabei für H. Kreschnak mehr und Anderes als Nutzen - eine hochgradig subjektive und nur wenig objektivierbare Kategorie.

In diesem Spannungsfeld zwischen Erfahrung und Erwartung ist erfolgreiches Entscheiden daran zu messen, wie weit die gewünschten Effekte im weiteren Handlungsverlauf auch wirklich eintreten. Hierfür ist "rationales Entscheiden" besonders zweckmäßig, was bei H. Kreschnak vor allem "vernünftiges" Entscheiden bedeutet, das objektivierbare Meinungen möglichst umfassend berücksichtigt. Während diese Vernunft zunächst praktische, unmittelbar erfahrungsbezogene Vernunft bedeutet und sich lange Zeit darauf beschränkte, spielten im 20. Jahrhundert theoretische, wissenschaftsbezogene Vernunftformen besonders in Entscheidungsprozessen der industriellen Massenproduktion eine zunehmend wichtige Rolle.

Deren Vorhersagekraft war so beeindruckend, dass auf einer solchen Basis theoretischer Vernunft sogar ganze Gesellschaften - nicht nur in der kommunistischen Hemisphäre der Welt - als praktisch zentral planbar erschienen. Selbst Karl Popper sprach Ende der 50er Jahre noch von "ingenieurmäßigen Eingriffen in die Gesellschaft".

Allerdings wird spätestens seit der Mitte der 60er Jahre deutlich, dass komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge wesentlich vielschichtiger strukturiert sind und nicht so mechanistisch wie (einfache) Maschinensysteme funktionieren.

Um dieser Komplexiät zu entsprechen müssen Entscheidungsprozesse ebenfalls strukturiert sein, wobei Entscheidungen in den Rahmen und Dimensionen zu treffen sind, in denen sich die entscheidungsrelevanten Prozesse abspielen. Nur dort treffen aus theoretischer und praktischer Vernunft ableitbare Handlungsoptionen einerseits und wirklich entscheidungsrelevante Wünschbarkeiten andererseits aufeinander.

Die funktionale Effizienz dezentraler Entscheidungsstrukturen ist dabei an mehrere Bedingungen geknüpft:

Literatur

[Gräbe]
Hans-Gert Gräbe: Emanzipatorische Herausforderungen moderner Technologien. 10 Thesen, Mai 2001
[Holzkamp]
Klaus Holzkamp: Individuum und Organisation
Veröffentlicht als "Werkstattpapier" in: Forum Kritische Psychologie 7 (1980): Probleme kritisch-psychologisch fundierter therapeutischer Arbeit, Argument Sonderband 59, Argument-Verlag, S. 208-225.
[Kreschnak]
Horst Kreschnak: Eigentum, Arbeitsteilung, Entscheidungsstrukturen (Manuskript, August 2001)

Hans-Gert Gräbe, Leipzig, 16.6.2002