Kommodifizierung und Dekommodifizierung von Gütern und Dienstleistungen in der Wissensgesellschaft

Vortrag und Diskussion mit Prof. Peter Fleissner (Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung, TU Wien)

29. Juni 2006, 17-19 Uhr, Uni Leipzig, Augustusplatz, SG 00-99

Abstract

Die Differenz zwischen dem österreichischen Wort "Kommodifizierung" und dem deutschen Pendant "Warenförmigwerdung" ist nicht nur eine klangliche, sondern auch eine leichte semantische, die vor allem in der Kombination mit "De-" deutlich wird, für welche es keine gute deutsche Übertragung gibt. Sie entsprechen zugleich besser den Inhalten der englischen Begriffe "commodification and decommodification", mit denen über ein Phänomen diskutiert wird, das mit dem Aufkommen einfach zugänglicher "Algorithmusmaschinen" zunehmend um sich greift: Der Dekommodifizierung von Gütern und Dienstleistungen. Ob dies nun der Brotbackautomat ist oder der Self-Service im Restaurant - komplexe technische oder organisatorische Artefakte gestatten es, eine Reihe von Leistungen wieder selbst auszuführen statt sie als Dienstleistungen anderer in Anspruch zu nehmen. Wir stehen damit am Anfang einer Entwicklung, an deren Ende die Harry-Potter-Vision vom Zauberstab leuchtet, den allein wir noch kaufen (oder vielleicht auch nur mieten) müssen, um uns alle unsere Wünsche erfüllen zu können. Dass damit die Warenförmigkeit des Rests der Welt am Ende wäre, ist nur eine logische Konsequenz dieser bereits laufenden technologischen Entwicklung. Denn was soll ich mir Dinge kaufen, die ich auch herbeizaubern kann? Wo ist der Denkfehler? Oder ist da gar keiner? Die Mechanismen und Konsequenzen dieser Entwicklungen sollen im Vortrag genauer beleuchtet werden.

Bericht

Das Seminar drehte sich dann doch nicht primär um die angekündigte Thematik, sondern wurde von Prof. Fleissner als "Werkstattgespräch" geführt, in dem die unterschiedlichen Positionen und Sichtweisen der drei anwesenden Herren Prof.'s Fähnrich, Fleissner und Gräbe auf die unter dem Titel "Wissen in der modernen Gesellschaft" ablaufenden Umbruchprozesse sichtbar wurden. Dabei ging es allerdings weniger um die Frage der "richtigen" Sichtweise als vielmehr um die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen, welche bei der Beurteilung komplexer gesellschaftlicher Prozesse eingenommen werden können und in der Gesamtheit ein detaillierteres Bild vermitteln als jede Einzelposition. Insofern hoffe ich, dass das Gespräch der "Elefantenrunde" (O-Ton eines Teilnehmers nach der Veranstaltung) auch den zur Passivität "verdammten" Zuhörern etwas gegeben hat. Im Zentrum der Sichten standen die Betonung der wachsenden Bedeutung von Prozesswissen in Wertschöpfungsketten und deren Auswirkung auf Prozessgestaltungsmöglichkeiten im Rahmen eines "Business Engineering" (Fähnrich), die Bedeutung der eigenständigen Dynamik von Wissensreproduktionsprozessen, welche einer anderen Logik als Marktprozesse folgen (Gräbe) und die Grenzen ganzheitlicher, etwa national-ökonomischer Steuerung dieser Entwicklungen (Fleissner).

Hans-Gert Gräbe (30.07.2006)


Prof. H.-G. Gräbe