(c) H.-G. Gräbe, 05/2006 Quelle: http://www.hg-graebe.de/Texte/Kommentare/ND/06-05-12.txt ================================================================ Zu Harry Nick: Grundeinkommen ohne Leistung? Neues Deutschland, 12.05.2006, S. 4. Mit einiger Freude habe ich zur Kenntnis genommen, dass sich mit Harry Nick nun auch jemand für ein "Grundeinkommen" ausspricht, sogar "'bedingungslos'" (im Original noch in Anführungszeichen), dem man ökonomische Blauäugigkeit - wie etwa den "emanzipierten Linken" um Katja Kipping - kaum vorwerfen kann. Dies aus dem "Recht auf ein Leben in Würde" herzuleiten ist eigentlich eine triviale Fingerübung, wenn dies auch für andere PDS-Linke (etwa Ulrich Busch in Utopie kreativ 181 (2005), 978-991) ein durchaus zweitrangiges Menschenrecht zu sein scheint, das der Vermeidung eines "Schlaraffenlandes" schon einmal geopfert wird. Aber mit dem "Sozialismus als Wertesystem" ist es so ein Ding - warum soll dieses Wertesystem weniger widersprüchlich sein als die Welt selbst? Und so bleibt Nick auch auf halber Distanz des Weges stehen, den Kipping und Co. längst gegangen sind, wenn sie fragen: Wie ist dieses "Arbeit her!" zu verstehen bei - offensichtlich dauerhaft - mehr als 5 Millionen "Erwerbs"-Arbeitslosen? Kann man wirklich "die dringend notwendigen Arbeiten, die heute einfach liegen bleiben, als Erwerbsarbeit leisten" (Nick)? Oder gibt es auch noch andere Gründe dafür, dass die Gleichsetzung von Arbeit und Erwerbsarbeit, also die Gültigkeit des Satzes "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", auch jenseits wohldefinierter "bedarfsgeprüfter" Ausnahmen, am Ende ist? Jedem großen und kleinen Unternehmer ist längst klar, dass cash flow und work flow so gut wie nichts mehr miteinander zu tun haben außer dem Umstand, dass sie am Schluss beide stimmen müssen. Warum soll das in einem "Staatsunternehmen", wie es Nick offensichtlich vorschwebt, anders sein? Die PDS-offizielle "Zukunftsvision" der Zukunftskommission hat darauf keine Antworten, weil sie bereits diese Fragen nicht stellt. Nehmen wir deshalb eines ihrer Argumente, das (nach Dieter Kleins letztem Auftritt in Leipzig zu urteilen) eines der zentralen ökonomischen Elemente ihrer Zukunftsvision ist - die "Sicherung öffentlicher Güter". Was kann es aber an öffentlichen Gütern Wichtigeres geben als die Erfahrungen der Menschen? Ist es nicht genau diese Vielfalt an Erfahrungen, die wir benötigen, um der "Multioptionalität von Zukunft" (Hubert Laitko) zu begegnen? Bezahlen wir den Feuerwehrmann dafür, wie oft er zu einer Brandbekämpfung ausrückt? Bedeutet Sicherung öffentlicher Güter nicht zuerst Sicherung DIESES Erfahrungsschatzes? Folgt daraus nicht, dass bereits die in je individueller Kompetenz und Erfahrung zum Ausdruck kommende POTENZIELLE Nützlichkeit jeder und jedes Einzelnen Grund genug für ein GRUND-Einkommen ist? Menschenwürde und Selbstbestimmung sowie die Sicherung dieses erstrangigsten aller öffentlichen Güter lassen nur eine Schlussfolgerung zu: konzeptionell gehört ein bedingungsloses Grundeinkommen (ohne alle Anführungsstriche) zu den erstrangigen programmatischen Forderungen einer modernen Linken.