So war eines der beiden Referate überschrieben, mit denen am 3. Februar 2001 die Veranstaltungsreihe "Mensch, Technik, Bildung im Computerzeitalter" der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen (RLS) zu sozialkritischen Fragen der Gestaltung der Informationsgesellschaft weiter geführt wurde.
Freie Software ist in einer auf Markt und Verwertung ausgerichteten Gesellschaft ein verblüffendes Phänomen - handelt es sich doch um Software für grundlegende Computerfunktionalitäten, die frei mit allen Quellen im Netz zur Verfügung steht und an der, wenigstens unmittelbar, niemand Geld verdient und auch nicht verdienen kann. Mit dem Webserver Apache und einer Reihe anderer Werkzeuge aus der GNU-Familie (http://www.gnu.org) bilden diese heute das (softwareseitige) Rückgrat des Internet. Mit dem Freien Betriebssystem Linux (präziser GNU/Linux, denn es ist Teil und Flaggschiff des GNU-Projekts) ist Freie Software auch im Anwenderbereich auf dem Vormarsch und nagt bereits heute an den Grundfesten von Softwaremonopolen a la Microsoft. Wer sind die Leute, die so widersinnig handeln, ihre Produkte frei wegzugeben, und warum beteiligen sich inzwischen selbst große Computer-Firmen wie IBM, HP oder SUN, die aller Sympathien für kommunistische Ideen unverdächtig sind?
Solche und ähnliche Fragen bewegen die Netiziens, die "Bewohner" des Internets. Sie werden auf der Mailingliste des Oekonux-Projekts http://www.oekonux.de intensiv diskutiert und sind auch Gegenstand der ersten Oekonux-Konferenz (http://erste.oekonux-konferenz.de) unter dem Titel "Die Freie Gesellschaft er~finden - Von der Freien Software zur Freien Welt?" vom 28. bis 30. April 2001 in Dortmund gewesen.
Mit Stefan Merten (Kaiserslautern) und Wolf Göhring (Bonn) hatten wir zwei der aktiven Mitstreiter aus diesem Projekt zum Gespräch eingeladen, um diese alternativen Potenzen einer Informations- oder Wissensgesellschaft genauer auszuleuchten.
Wolf Göhring verdeutlichte in seinem Vortrag "Mittels Informations- und Kommunikationstechnik die Warenproduktion dialektisch aufheben?", dass die zunehmende Fülle der über Marktprozesse verfügbaren Information dazu zwingt, erst einmal diese Information auszuwerten, ehe es ans Produzieren gehen kann. Solche Gespräche und Absprachen zwischen Produzenten bedeuten aber, dass diese nicht mehr unabhängig voneinander agieren, wie es noch Marx im Kapital Band I, S. 85 ff., als Voraussetzung seiner ökonomischen Theorie formuliert hatte. An deren Stelle tritt die, wenigstens partielle, Kooperation der Akteure eines Marktsegments, die wir heute mit gegenseitigen Lizenzen und "strategischen Allianzen" täglich beobachten können. Absprachen am Markt werden die Regel statt Ausnahme und hebeln marktwirtschaftliche Instrumente zunehmend aus. Wie soll es aber funktionieren, einen großen Teil der Aktivitäten miteinander zu planen und dann gegeneinander auf dem Markt anzutreten? Die natürlichen Barrieren, die der Markt zwischen Produzent und Konsument setzt, werden zunehmend löchriger, auf Wolf Göhrings Folien ebenso wie in der Realität.
Freie Software versucht, für den Softwarebereich gänzlich ohne solche Barrieren auszukommen. Stefan Merten erläuterte zunächst, wie ein solches Zusammengehen über die GPL, die "GNU Public License", geregelt ist. Eine Lizenz bestimmt den Umfang, in welchem Autoren anderen die Erlaubnis zur Nutzung ihrer geistigen Produkte einräumen. Die GPL sieht vor, dass unter dieser Lizenz stehende Software 'Frei' verwendet werden kann. Frei bedeutet dabei freizügig, nicht kostenfrei. Rick Stallman, der Gründervater des GNU-Projekts betont "free not as in free beer, but as in free speech". Im weiteren führte Stefan Merten plastisch aus, wie einfach und natürlich sich die Zusammenarbeit in einem solchen barrierefreien Raum gestaltet, so dass sich immer mehr 'Netiziens' fragen, ob ein solches Verhältnis nicht auch in andere gesellschaftliche Bereiche zu übertragen ist.
Natürlich steht die Beantwortung solcher Fragen noch sehr am Anfang und in der Diskussion wurden mit Blick auf die Zumutungen und Zwänge, die uns täglich begegnen, massiv Zweifel daran geäußert, ob entscheidende Teile der Gesellschaft überhaupt so oder ähnlich funktionieren können. Insbesondere kamen Zweifel auf, ob die kategorielle Durchdringung der Prozesse, die zu einer solchen "Großen Gesellschaftlichen Wende" führen könnten, in den derzeitigen Überlegungen bereits weit genug getrieben sei.
Ein ernst zu nehmender Einwurf, den wir im weiteren Verlauf unserer Seminarreihe aufnehmen werden. So haben wir zum 24. März 2001 mit Christoph Spehr einen Philosophen eingeladen, der sich bereits intensiver mit der Gestaltung Freier Kooperation auseinander gesetzt hat. Seine Arbeit "Gleicher als Andere - Eine Grundlegung der Freien Kooperation" erhielt dafür im Januar diesen Jahres den Preis der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
6.2.2001 | Dr. Hans-Gert Gräbe |