Ist Software patentierbar?

Ein Bericht

Mit dieser Frage hatte sich unlängst die Europäische Patentbehörde zum wiederholten Male beschäftigt und ihre Position, dies nicht zuzulassen, bekräftigt. Damit steht sie im Gegensatz zu US-amerikanischen Gepflogenheiten und widerstand dem zunehmenden Druck europäischer Wirtschaftskreise, eine solche Möglichkeit auch in Europa einzuführen. Grund genug für Spiegel-online (5. Dezember 2000), mit Richard Stallman den Gründervater der Free Software Foundation, einen vehementen Streiter gegen Software-Patente, zum Interview zu bitten.

Grund genug auch für uns, dieses Thema am 13. Dezember 2000 auf die Tagesordnung einer Veranstaltung der Reihe "Mensch, Technik, Bildung im Informationszeitalter" der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen (RLS) zu setzen, nachdem der avisierte Referent zum Thema "Wissen, Information und nachhaltige Entwicklung" krankheitsbedingt kurzfristig abgesagt hatte.

In der Diskussion wurde die Zweischneidigkeit von Softwarepatenten noch einmal deutlich. Einerseits sind sie Ausdruck des Anspruchs von am Markt operierenden Software-Unternehmen, die eigenen Aufwendungen ersetzt zu bekommen und mit besonders originellen Ideen Extraprofite zu erzielen. Andererseits besteht eine Eigenart immaterieller Güter darin, sich einem solchen Verwertungsanspruch zu entziehen, denn Gedanken und Ideen lassen sich nicht so einfach einsperren und wegschließen. Die Originalität eines Gedanken wird erst sichtbar, wenn er anderen mitgeteilt wird, womit seine Exklusivität schon verloren gegangen ist.

Die Zäune, die Patente um solche Gedanken errichten, verhindern zugleich den natürlichen Umgang mit diesem Ideengut anderer. R. Stallman schreibt dazu: "Softwarepatente behindern das Schreiben von Programmen. Das ist, als wolle man ein Patentsystem für musikalische Ideen einführen. Ein melodisches Motiv hätte patentiert werden können, oder die Idee, vier Instrumente gleichzeitig spielen zu lassen. Überlegen Sie einmal, was das für jemanden bedeutet, der eine Symphonie schreiben möchte - er muss sich jederzeit fragen, ob seine Entscheidungen zu einem Gerichtsverfahren führen. Selbst wenn er weiß, welche Idee patentiert ist und wie er vermeiden kann, sie zu nutzen, macht es das Komponieren natürlich komplizierter. Irgendwann würde es schwieriger, eine Symphonie zu schreiben, wegen der man nicht verklagt würde, als eine, die man sich gern anhört. Jede Symphonie nutzt Ideen, die Menschen vorher schon gehört haben, selbst wenn es eine neue Symphonie ist. Was soll man machen, wenn einen alles, was man tut, in einen Rechtsstreit verwickeln kann? Man hört damit auf. Beethoven hätte sich einen anderen Job suchen müssen."

Die grundsätzliche Bedeutung, die dem Prinzip der 'Freizügigkeit von Wissen' für das Funktionieren von Wissenschaft und Technik im heutigen Verständnis und damit für die Tragfähigkeit der Fundamente einer zukünftigen Wissens- und Kompetenzgesellschaft zukommt, kristallisiert sich immer deutlicher heraus und stand unter dem Thema "Wissenschaft zwischen Freizügigkeit und Kommerz" bereits im November auf der Tagesordnung unserer Veranstaltungsreihe. Es gibt keine einfachen Antworten, die das Freizügigkeitsprinzip und ökonomische Interessen in Einklang bringen. Die am weitesten führenden Ansätze weisen auf Einrichtungen öffentlichen Rechts wie Institute, Hochschulen oder wissenschaftliche Gesellschaften als Träger von Eigentumstiteln an diesen Formen von Gemeineigentum, die zugleich als (auch technischer) Garant der freien Verfügbarkeit dieses Wissens und als Clearingstelle für den Rückfluss der aus der ökonomischen Verwertung dieser Ideen resultierenden Mittel auftreten. Mit der geplanten Novellierung des sogenannten "Hochschullehrerprivilegs" im Arbeitnehmer-Erfindungsgesetz, das die Rolle der Universitäten in der patentrechtlichen Verwertung von Ideen stärken soll, die von ihren (mit öffentlichen Mitteln unterstützten) Angehörigen geboren wurden, geht die Bundesregierung einen Schritt in diese Richtung, vgl. "Süddeutsche Zeitung" vom 7.11.2000.

Literatur


15.12.2000 Dr. Hans-Gert Gräbe