-------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Keimform wovon? Datum: Wed, 10 Jun 2009 15:51:50 +0200 (CEST) Von: Stefan Meretz An: wak@opentheory.org On 2009-06-10 15:12, Hubert Herfurth wrote: > So lange Du dich weiter zum Gesellschaftlichkeitsproblem enthältst, Was meinst du mit »Gesellschaftlichkeitsproblem«? Ich habe es nicht verstanden. Mir ist das auch schon bei deiner Peer-Ökonomie-Kritik unklar geblieben. Ciao, Stefan -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Keimform wovon? Datum: Wed, 10 Jun 2009 16:18:15 +0200 (CEST) Von: Hubert Herfurth An: wak@opentheory.org Lässt sich die Frage auch an einigen meiner Textstellen präzisieren, Stefan? So ist das ein weites Feld und ich müsste entweder alles in neue Worte packen oder wiederhole mich. Ganz kurz, als Einstieg: Die real vorhandene und auch die bisher angedachte übliche kommunistische Gesellschaftlichkeit geht vom Selbstbezug aus. Alles wird nur aus Gründen des eigenen (seinem, ihrem, unserem) Interesse gemacht. Die Warenproduktion bricht dies ein Stück weit auf, weil die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse an die Befriedigung der Bedürfnisse der anderen gekoppelt wird. Allerdings hinter dem Rücken der Akteure als Zwangsverhältnis. Aus meiner Sicht kann der bewusste Kommunismus nichts anderes machen als diese Zwangsverknüpfung aufzuheben, indem er diese Gegenseitigkeit als freiwillige in die Individuen internalisiert. Der übliche Kommunismus umgeht das hier liegende Problem völlig (er tut so, als gäbe es dieses Problem gar nicht). Dazu muss er dann aber immer künstliche Subjekte schaffen (kleine oder größere Wir's, mit gemeinsamen Interessen/ Partei/Staat), weil der Selbstbezug keine Gesellschaft beinhaltet. so weit mal Hubert -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Keimform wovon? Datum: Wed, 10 Jun 2009 16:29:18 +0200 (CEST) Von: Annette Schlemm An: wak@opentheory.org Hallo, Guter Ausgangspunkt - ich wusste auch nicht, worum es geht. Ich habe zwei Fragen dazu: Hubert Herfurth schrieb: > Aus meiner Sicht kann der bewusste Kommunismus nichts anderes machen als > diese Zwangsverknüpfung aufzuheben, indem er diese Gegenseitigkeit als > freiwillige in die Individuen internalisiert. 1. Die Gesellschaftlichkeit ist also normalerweise etwas den Individuen Äußerliches, das dann erst internalisiert werden muss? 2. Wie stellst Du Dir das vor? Erziehung, Moral? Ahoi Annette -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Keimform wovon? Datum: Wed, 10 Jun 2009 20:41:02 +0200 (CEST) Von: Wolf Goehring An: wak@opentheory.org Benni Baermann schrieb: > Vielleicht ist ja Kommunikation von Bedürfnissen und Fähigkeiten der > Schlüssel? Und da haben wir ja bekanntlich schon gerade mit dem Internet > eine völlig neue Stufe erreicht. Aber auch da fehlt noch viel. Wir bräuchten > ein Netz, dass zu jedem denkbaren(!) Bedürfnis aufzeigt, wer die dafür > nötigen Fähigkeiten und Ressourcen sowie den Willen sie zur Verfügung zu > stellen hat. Wenn wir das mal haben ist die Vermittlung über den Wert > überflüssig. Vorher nicht. Kommunikation erscheint mir als mehr, als eine felswand mit "sesam, sesam, oeffne dich!" anzuquatschen. Aber darauf laeuft ein netz hinaus, "das zu jedem denkbaren(!) Bedürfnis aufzeigt, wer die dafür nötigen Fähigkeiten und Ressourcen sowie den Willen, sie zur Verfügung zu stellen, hat". Ich stell mir jetzt praktisch vor, wie mein unabweisbares beduerfnis nach einer goldenen kloschuessel einen dienstbaren geist findet. gruesse lupus -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Keimform wovon? Datum: Sun, 14 Jun 2009 13:26:25 +0200 (CEST) Von: Hans-Gert Gräbe An: wak@opentheory.org Hallo allerseits, Annette Schlemm schrieb: >> Hubert: Aus meiner Sicht kann der bewusste Kommunismus nichts >> anderes machen als diese Zwangsverknüpfung aufzuheben, indem er diese >> Gegenseitigkeit als freiwillige in die Individuen internalisiert. > > 1. Die Gesellschaftlichkeit ist also normalerweise etwas den Individuen > Äußerliches, das dann erst internalisiert werden muss? > > 2. Wie stellst Du Dir das vor? > Erziehung, Moral? Dass dies (die Internalisierung der "Gesellschaftlichkeit" aka "Sharing" - auch wenn ihr inzwischen das Wort "Internalisierung" relativiert habt) nicht erst im Kommunismus geschieht, sondern ein sehr altes Phänomen ist, hat Lutterbeck in seinem Beitrag im OS-Jahrbuch 2007 genauer ausgeführt und untersucht - als Zusammenschnitt einer wesentlich ausführlicheren Diskussion. Siehe http://www.opensourcejahrbuch.de/download/jb2007 Mich würde natürlich auch mal interessieren, was Marx' Ausführungen in der "Deutschen Ideologie" (MEW 3), besonders S. 70-77 ("Kommunismus - Produktion der Verkehrsform selbst"), mit dieser "Gesellschaftlichkeit" zu tun haben. http://www.mlwerke.de/me/me03/me03_017.htm#I_I_C Schließlich wurde das hier vor einiger Zeit intensiv studiert und diskutiert. Ich würde schon meinen, dass diese Überlegungen mit Huberts große Schnittmengen haben. Die zu explizieren fände ich mit Blick auf die Historie _dieses_ Dikskurszusammenhangs spannend. Benni schrieb weiter > Wir bräuchten ein Netz, dass zu jedem denkbaren(!) Bedürfnis aufzeigt, wer > die dafür nötigen Fähigkeiten und Ressourcen sowie den Willen sie zur > Verfügung zu stellen hat. Wenn wir das mal haben ist die Vermittlung über > den Wert überflüssig. Vorher nicht. Das bedingte natürlich ein Management eben dieser (ich gehe davon aus) immer knappen Ressourcen, incl. Zeitressourcen, sowie deren Verteilung auf Tasks entsprechend deren "Wichtigkeit". Das geschieht in dieser Gesellschaft über das Wertverhältnis (oder in der PÖ über Versteigerungen - womit noch einmal deutlich wird, dass auch dort nicht über das Wertverhältnis hinausgegangen wird). Viele Grüße, Hans-Gert -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Keimform wovon? Datum: Sun, 14 Jun 2009 16:39:16 +0200 (CEST) Von: Annette Schlemm An: wak@opentheory.org Hallo, nur, um ein Mißverständnis zu vermeiden: > Annette Schlemm schrieb: >> 1. Die Gesellschaftlichkeit ist also normalerweise etwas den Individuen >> Äußerliches, das dann erst internalisiert werden muss? > Dass dies (die Internalisierung der "Gesellschaftlichkeit" aka "Sharing" - > auch wenn ihr inzwischen das Wort "Internalisierung" relativiert habt) nicht > erst im Kommunismus geschieht, sondern ein sehr altes Phänomen ist, hat > Lutterbeck ... Meine Frage an Hubert bedeutet NICHT, dass ICH von solch einer Internalisierung ausgehen würde. Ahoi Annette -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Keimform wovon? Datum: Sun, 14 Jun 2009 19:06:11 +0200 (CEST) Von: Hans-Gert Gräbe An: wak@opentheory.org Wolf Goehring schrieb: >> In der Tat. Die kapitalistischen Wertformen (bei mir im Plural) waren >> nie so eng ans Zeitmaß gekoppelt, wie bei Marx (und seinen Vorgängern, >> denn die Idee ist ja nicht von ihm) postuliert. Stichwort "Stücklohn" >> etwa und Akkord, der in "Stück pro Euro" und nicht "Stück pro Stunde" >> normiert ist. > > Haste schon mal im akkord gearbeitet? Was weisste ueber refa, mtm u. ae? Das erste Mal in meiner Jugend im Schülereinsatz beim Ausmessen von Transistoren. Da habe ich in meinem jugendlichen Leichtsinn alle Normen gebrochen und fast Haue bekommen. Die restlichen Vokabeln, Akronyme oder was das sonst sind, kannst du mir gern erläutern, da ich nicht nur von dir zu hören bekomme "Was weißt du schon vom Stücklohn", wenn ich das Wort in den Mund nehme. Insofern bin ich für Aufklärung wirklich dankbar, zumal ich den Eindruck habe (siehe oben), dass Stücklohn als Wertform nur sehr lose eine Zeitform ist. Erst recht in der Form des Werk-, also Ein-Stück-Lohns. Viele Grüße, hgg -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [[ot:wak] Keimform wovon?] methodische Feinheiten Datum: Sun, 14 Jun 2009 21:07:17 +0200 (CEST) Von: Hans-Gert Gräbe An: wak@opentheory.org Hubert Herfurth schrieb: > Was die Keimformspezialisten sich bzw. uns (vor allem natürlich mir!) > hier noch mal klar machen müssten, ist m. E. folgendes: > Sind die Wertformen Ausdruck einer ungesellschaftlichen Gesellschaftlichkeit > oder > ist die ungesellschaftliche Gesellschaft Ausdruck der Wertformen? mein > Eindruck war immer, dass es hier zu einer Verwechsleung kommt, die > natürlich entscheidend ist. Hallo Hubert, wieso an der Stelle "Wertformen" und nicht "Wertverhältnisse"? Und wieso ein 0-1-Schema (gesellschaftlich vs. ungesellschaftlich)? Sind hier nicht wesentlich feingranularere Abstufungen von "Gesellschaftlichkeit" angezeigt, die verschiedene _Grade_ von Gesellschaftlichkeit auszudrücken vermögen. Denn etwa die Formen des Vertragsrechts (BGB - mein Lieblingsthema, das mir hier regelmäßig um die Ohren gehauen wird), in welche die bürgerlichen Wertformen gegossen sind, sind doch ein gehöriger Ausdruck von "Gesellschaftlichkeit", oder? Und gerade mit der GPL ist gezeigt worden, wie zunächst als entfremdet erscheinende Rechtsformen wie das Urheberrecht verwendet werden können, um "gesellschaftliche Gesellschaftlichkeit" - in gewissem Grade - herzustellen. G.S.Freyermuths Beitrag im OS-Jahrbuch 2007 ist da sehr instruktiv, was die realen Bewegungsformen dieser Praxen angeht. Viele Grüße, Hans-Gert -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Keimform wovon? Datum: Sun, 14 Jun 2009 21:46:01 +0200 (CEST) Von: Wolf Goehring An: wak@opentheory.org > Das erste Mal in meiner Jugend im Schülereinsatz beim Ausmessen von > Transistoren. Da habe ich in meinem jugendlichen Leichtsinn alle Normen > gebrochen und fast Haue bekommen. Warum hast fast haue bekommen? (Rhetorische frage) > Die restlichen Vokabeln, Akronyme oder was das sonst sind, kannst du mir > gern erläutern, da ich nicht nur von dir zu hören bekomme "Was weißt du > schon vom Stücklohn", wenn ich das Wort in den Mund nehme. Google liefert mehr als 600.000 eintraege zu REFA, als erstes http://www.refa.de/seminare/seminare.php?seminar_id=331 In der vergangenheit hat refa prononciert arbeitsablaeufe, insbesondere an einzelnen arbeitsplaetzen untersucht, damit pro zeiteinheit mehr produziert werde. Der refa-mann und die stoppuhr gehoerten zusammen. Im heutigen seminarangebot steht das nicht mehr so platt drin, ist aber der alte hut einschliesslich des ideologischen rankenwerks. Google liefert zu MTM 5.000.000 eintraege, an vierter stelle den ersten richtigen: https://www.dmtm.com/index/index.php Dort: "MTM ist heute weltweit das verbreitetste Verfahren vorbestimmter Zeiten und bildet damit an jedem Standort global tätiger Unternehmen eine einheitliche Planungs- und Leistungsnorm." Mit MTM Methods ergooglet man fast 250.000 eintraege. Akkord ist die methode, um die arbeiter selbst, ohne refa und multimoment-studien die arbeitsleistung erhoehen zu lassen, durch voruebergehend hoehere bezahlung im stuecklohn, bzw. um die mit refa und mtm ermittelten zeiten pro stueck auch praktisch durchzusetzen. > Insofern bin ich für Aufklärung wirklich dankbar, zumal ich den Eindruck > habe (siehe oben), dass Stücklohn als Wertform nur sehr lose eine Zeitform > ist. Dass stuecklohn "nur sehr lose eine zeitform" sei, mag derjenige sehen, der nur lose eine ahnung von betrieblicher wirklichkeit hat. viele gruesse lupus -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Keimform wovon? Datum: Tue, 16 Jun 2009 08:02:18 +0200 (CEST) Von: Hans-Gert Gräbe An: wak@opentheory.org Wolf Goehring schrieb: > Dass stuecklohn "nur sehr lose eine zeitform" sei, mag derjenige sehen, der > nur lose eine ahnung von betrieblicher wirklichkeit hat. Hallo Wolf, danke für die lehrreichen Beispiele. Den Zusammenhang zwischen Zeitformen und Wertformen werde ich wohl noch einmal gründlich überdenken müssen. Dennoch: Ist es nicht Wertfetisch pur, hinter der Uhr _nicht_ zuerst die Peitsche des Aufsehers zu sehen, sondern eine "gesellschaftlich [normierte - HGG] notwendige Arbeitszeit zur Produktion eines Artikels" und daraus (nicht an der zitierten Textstelle) schließlich einen "objektiv durchschnittlich notwendigen gesellschaftlichen Aufwand" zu konstruieren? Wobei das Problem nicht so sehr ein praktisches, denn ein theoretisches ist. Denn - um deine rhetorische Frage zu beantworten - die Leute haben längst gelernt, sich mit der Peitsche zu arrangieren. Die Peitsche taugt ja nur zur Nivellierung von Unterschieden. Also übe Solidarität und arbeite so langsam, dass alle ohne Stress mitkommen. Und wende alle verfügbaren sozialen Techniken an, um _dieses_ homogene Tempo zu erhalten. Womit die Durchschnittsbildung schon lange vor dem Kapitalismus praktisch eingeübt wird. Dass die Aliens - um Spehrs Metapher aufzugreifen - mit refa etc. eine ganze Psycho- und Organisationsindustrie aufgebaut haben, um diese den Menschen äußerliche, für den Takt der Industriemaschine gleichwohl erforderliche Normierung als "internalisierte" erscheinen zu lassen, ist dann leicht als Teil der Perfektionierung der Wirkung des Wertfetischs auszumachen. Insofern ist das Marxsche Ergebnis "Stücklohn ist nur eine Spielart des Zeitlohns" in der ziterten Textstelle vorn als Prämisse bereits reingesteckt. > An und für sich ist es jedoch klar, daß die Formverschiedenheit in der > Auszahlung des Arbeitslohns an seinem Wesen nichts ändert, obgleich die eine > Form der Entwicklung der kapitalistischen Produktion günstiger sein mag als > die andre. Wenn es ihm um das Wertverhältnis als gesellschaftlichem Verhältnis und nicht nur die Formverschiedenheit (wovon? der Wertform als "Wesen"?) gegangen wäre, dann hätte er eigentlich fragen müssen, wie das mit der Peitsche beim Zeitlohn funktioniert. @Hubert: Lieber Hubert, du siehst an der Stelle, warum ich so genau auf den Unterschied zwischen den Begriffen Wertform und Wertverhältnis aus bin. Da liegt (für mich) bei den Altmeistern viel im Argen. Viele Grüße, Hans-Gert > PS: Was haeltst du von jemandem, der in der algebra mitreden will, aber noch > nicht einmal die axiome einer mathematischen gruppe kennt? Spielst du auf die Axiome des Traditionsmarxismus an? -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Re: Artikel Hubert Datum: Fri, 26 Jun 2009 10:29:02 +0200 (CEST) Von: Hubert Herfurth An: wak@opentheory.org Lieber Uli, deinen letzten Beitrag kann ich als ersten wirklichen Diskussionsbeitrag - einer nicht einfachen Diskussion - anerkennen, weil er mir zumindest das Gefühl vermittelt, ein Teil meiner Argumente kommt auf der anderen, also deiner Seite überhaupt mal an! Wenn ich die Schwierigkeit der Diskussion hier betone, meine ich keine inhaltlichen Gründe, die sich etwa aus komplizierten Zusammenhängen ergeben. Schwierig empfinde ich die Diskusison, weil sie laufend von Interpretationen überlagert wird die von den Texten nicht gedeckt sind. Daneben spielt das politische Selbstverständnis eine Rolle, mit der man am gesellschaftlichen Leben teilnimmt und sich in die Auseinandersetzung stürzt. Ich habe aus Anlass der letzten kom. Streitpunkte Auseinandersetzung (2005) meinen Titel "Genosse" abgelegt und ich bin gerade dabei meine Selbstdefinition "Linker" an den Nagel zu hängen, weil diese Klassifikationen deutlich mehr verhindern als sie positiv bewirken können. Insbesondere trennen sie uns voneinander wie von der eigentlichen Gesellschaft, weil sie selbst ein Ausdruck des Prvateigentums geworden sind und kein Mittel, diesses aufhebbar zu machen. In deinem Wunsch > es ist besser, wir reden als Personen und handeln uns nicht als Gruppen ab kommt dies ansatzweise zum Ausdruck. Ich weiß hier aber nicht, inwieweit Du dir über die große Widersprüchlichkeit deines durchaus richtigen Wunsches im klaren bist, denn einerseits wird z. B. von der 'Keimformgruppe' versucht, der Kritik in Richtung Peer-Ökonomie die Berechtigung zu entziehen und andererseits werden dann an ganz anderer Stelle Schwierigkeiten eingeräumt von denen in der offenen Diskussion nichts zu hören war. Haben diese Schwierigkeiten wirklich nichts mit Werners oder meinen Einwänden zu tun? Einerseits haben wir es hier mit einer bestimmten Wirklichkeit zu tun, an die andererseits mit bestimmten politischen Konzepten herangetreten wird, um sie bewusst zu ändern. Für dieses Konzept braucht es die Leute dies es umsetzen und mit Leben füllen. Die Kritik daran scheint das zu verhindern. Doch wenn die Kritik richtig ist, ist schon das Konzept falsch. > Hubert, versuche doch mal wenigstens hypothetisch Dich auf diese > Keimform-Suche einzulassen. Wie kommst Du eigentlich darauf, dass ich das nicht mache, Uli? Meine Beurteilungskriterien sind aber andere und deshalb komme ich auch zu anderen Ergebnissen. Auf 'euerer' Seite ist der casus knaktus das kostenlose Abgeben der Produkte, auf 'unserer' Seite steht die Motivation des Handelns im Vordergrund und damit die Basis auf der das Handeln überhaupt stattfindet. Das kostenlose Abgeben der Arbeitsprodukte ist eben kein hinreichendes Kriterium fürs angestrebte Ziel auch wenn dieses Ziel am Ende die Aufhebung der Wertformen der Arbeitsprodukte zum Ergebnis hat (Formproblem), der Inhalt besteht aber genau in einem anderen gesellschaftlichen Verhalten, welches die Abschaffung der Wertformen überhaupt erlaubt bzw. ermöglicht, und Stefans Satz > Aber der gesellschaftliche Mensch ist immer noch der gleiche ist dagegen vollständiger Humbug. Wolf Göhrings Marx Zitat ist doch ganz eindeutig > "Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, daß sie den > Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeit als > gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche > Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt" Die Arbeit ist nicht gesellschaftlich, sie hat gesellschaftlichen Charakter! Was aber macht aus der Arbeit wirklich gesellschaftliche Arbeit, wenn nicht die Erfüllung der gesellschftlichen Interessen und Befürfnisse, d. h. vom produzierenden Ich aus können dies nur die Interessen und Bedürfnisse der Anderen sein. In der Auseinandersetzung um Holloways Thesen hatte ich 2005 in Richtung Reitter (grundrisse) so argumentiert > Der "gesellschaftliche Charakter der Arbeit" ist eben genau noch nicht die > direkte Gesellschaftlich­keit der Arbeit, wie Holloway meint, sie im Tun > erfassen und quasi voraussetzen zu können. Das Ka­pital kann daher die > Gesellschaftlichkeit des Tuns nicht zerbrechen, *es ist selbst als > Verhältnis Ausdruck dieser nicht vorhandenen Gesellschaftlichkeit*. Es ist > nichts als die entwickeltste Form (wobei die Warenform die einfachste und > unentwickeltste Form in dieser Entwicklungslinie im Marxschen Verständnis > (nach meinem Kenntnisstand) darstellt.) des UNGESELLSCHAFTLICHEN > Verhältnisses der gesellschaftlichen Individuen als Privateigentümer > zueinander. Die Dissoziation der Lohnabhängigen durch das Privateigentum, > die nur durch die Assoziation als selbstbewußte, gesellschaftliche > ProduzentInnen zu überwinden ist, als ihre bewußte Entscheidung, ihre > eigenständige Tat. Die Stärke der Klasse ist nicht ihr politischer > Zusammenschluß, die jüngste Geschichte hat m. E. sogar ganz deutlich > gezeigt, daß höllisch aufzupassen ist, die politische Einheit nicht zu eng > zu ziehen, weil sie sonst - aller Klassen­kampfrhetorik zum Trotz - > unmöglich wird. Die Stärke der Klasse heute ist ihre breite ökonomische > Macht, die sich allerdings hinter dem Kapitalcharakter aller Produktion > verbirgt: die 'Arbeiterklasse' forscht, sie erfindet, sie plant, sie > produziert, sie verwaltet, sie verteilt und sie konsumiert: sie macht alles > und das alles macht sie so­zusagen für sich selbst. WIR für UNS! oder wie ich heute sagen würde: Jeder für die Anderen! Die "Leidenschaft" bzw. die "Selbstentfaltung" der ProduzentInnen können hier daher unmöglich den Ausgangspunkt bilden, sie sind selbst das Ergebnis dieser Entwicklung. Meine Argumente beziehen ja Christians eigene Kritik an den Peerproduzenten ein, machen sie also zu meinem Argument, so lange Christian nicht erklärt, woher hier die notwendige Änderung kommt. Achtung Uli, für deine Keimformfrage oben ist dies die Schlüsselstelle, über die in der gesamten Argumentation (eurer Seite) hinweggegangen wird. Reineweg inhaltlich habe ich zu Christian an dieser Stelle also eigentlich gar keinen Widerspruch. Der Widerspruch bezieht sich allein auf das politische Konzept, da unabhängig von der Beantwortung dieser Frage der Peer-Ökonomie eine Bedeutung beigemessen wird, die sie erst hätte, wenn die Frage in meinem (oder Christians) Sinn beantwortet ist.... Hier kommt nun deine folgende Feststellung oder Vermutung ins Spiel > Gemäß Deiner o.g. "Verpflichtungs"-Vorstellung ist Dir offenkundig eine > Institution wichtig, die diese befördert, Gerechtigkeit sichert usw. Habe > ich Recht? zu der ich von dir nun gerne wissen würde, wie Du diese Vermutung anhand welcher meiner Ausführungen begründest? Stefans Vermutung dazu klang ja übrigens so > Die Proleten=Menschen müssen ein »Interesse an den Interessen und > Bedürfnissen der Anderen« haben, forderst du Meinen Bezug zur diesbezüglichen Anforderung aus der Warenproduktion sieht er offensichtlich nicht und darf er auch nicht sehen, da er mich sonst nicht zum quasi Idioten abstempeln könnte. Ich beantworte dir deine Frage also nicht, sondern erwarte zunächst, dass Du versuchst, die Begründung deiner Vermutung an Hand meines Textes aufzuzeigen. Ich glaube, dass dieses Verfahren die einzige Möglichkeit ist diese verfahrene Situation produktiv zu wenden. Darüber hinaus würde mich auch brennend interessieren, wie Du auf folgende Feststellung kommst > In den Vorstellungen davon, was ein aufgehobener Kapitalismus sein und in > welchen sozialen Formen diese Aufhebung verlaufen könnte (warum ich > inzwischen annehme, die Arbeiterbewegung kann nicht diese Form sein - darauf > richtete sich ja Dein ursprünglicher Protest) - darin unterscheiden wir uns > offenkundig erheblich. Aber Du kannst ja erstmal mit einem Punkt anfangen, dann lässt sich vielleicht auch über das nun schon mehrfach erwähnte Seminar reden..... herzliche Grüße Hubert -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Re: Artikel Hubert Datum: Sun, 28 Jun 2009 13:24:49 +0200 (CEST) Von: Hans-Gert Gräbe An: wak@opentheory.org Lieber Hubert, eine spannende Diskussion, in der ich viele meiner Zweifel und letztlich Wendungen wiedererkenne, insbesondere auch in dieser hier: > Ich habe ... meinen Titel "Genosse" abgelegt und ich bin gerade dabei meine > Selbstdefinition "Linker" an den Nagel zu hängen, weil diese > Klassifikationen deutlich mehr verhindern als sie positiv bewirken können. > Insbesondere trennen sie uns voneinander wie von der eigentlichen > Gesellschaft, weil sie selbst ein Ausdruck des Privateigentums geworden sind > und kein Mittel, dieses aufhebbar zu machen. Auch wenn die Formen und insbesondere Referenzpunkte dieser "inneren Häutungen" von den Diskursen geprägt sind, in denen sie den Einzelnen "befallen", so haben sie doch - nach meiner Beobachtung - phänomenologisch viel Gemeinsames, besonders wenn es um die Überwindung tief sitzender psychisch-ideologischer Denkblockaden geht, die es auf einigen Gebieten nicht gestatten, die auch nur einfachsten Fakten wahrzunehmen. Wie sehr solche Denkblockaden nicht nur die Theorie, sondern auch die - heute möglichen - linken Praxen beeinflussen, haben wir über ein Jahr lang in Leipzig genauer studiert, siehe http://www.leipzig-netz.de/index.php5/WAK.AG-Diskurs Ich bin ein weiteres Mal _enttäuscht_ - eine Täuschung los geworden - und habe verstanden, dass und warum die klassisch organisierte deutsche Linke in 10 Jahren dort sein wird, wo heute bereits diese klassisch organisierte Linke in Österreich, Italien, Frankreich und den USA ist. Dafür gibt es viele Gründe, die wir gelegentlich, bei unseren theoretischen Analysen, auch mal beim Namen nennen sollten. Du schreibst am 23.6. > Meine Antwort darauf war die folgende: > > /"Die real vorhandene und auch die bisher angedachte übliche kommunistische > Gesell­schaftlichkeit geht vom Selbstbezug aus. Alles wird nur aus Gründen > des eigenen (sei­nem, ihrem, unserem) Interesse gemacht. Die Warenproduktion > bricht dies ein Stück weit auf, weil die Befriedigung der eigenen > Bedürfnisse an die Befriedigung der Bedürf­nisse der anderen gekoppelt > wird. Allerdings hinter dem Rücken der Akteure als Zwangs­verhältnis. Aus > meiner Sicht kann der bewusste Kommunismus nichts anderes machen als diese > Zwangsverknüpfung aufzuheben, indem er diese Gegenseitigkeit als freiwillige > in die Individuen internalisiert. Der übliche Kommunismus umgeht das hier > liegende Problem völlig (er tut so, als gäbe es dieses Problem gar > nicht). Dazu muss er dann aber immer künstliche Subjekte schaffen (kleine > oder größere Wir's, mit gemein­samen Interessen/ Partei/Staat), weil der > Selbstbezug keine Gesellschaft beinhaltet."/ "Die Warenproduktion bricht dies ein Stück weit auf, weil die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse an die Befriedigung der Bedürf­nisse der anderen gekoppelt wird." Die Warenproduktion ist uralt, ich gehe also mal davon aus, dass es dir an der Stelle um die _kapitalistische_ Warenproduktion geht, die diese Form des Zugangs zu den Mitteln für die Befriedigung eigener Bedürfnisse aus einer bis dato subalternen Form - neben der Subsistenz als Hauptform, wie sie in vielen Teilen der Welt bis heute fortwirkt - in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Dynamik schiebt. Es wird dabei etwas so fundamental anderes verlangt, dass es auch 300 Jahre nach den ersten Umbrüchen hin zu einer solchen Gesellschaft noch längst nicht Allgemeingut ist. In meinem MaWi-Paper heißt es dazu > Und ein zweites zivilisatorisches Moment bringt dieser Markt mit sich: Er > /zwingt/ die am Markt agierenden Produzenten, sich - unter Androhung des > Entzugs der eigenen Existenzgrundlage - für die Bedürfnisse anderer > Produzenten zu interessieren, und legt so den Keim für ein neues WIR, das > erst in einer wirklich Freien Gesellschaft zur vollen Entfaltung kommen > wird. Er zwängt damit die in einer jahrtausendelangen Entwicklung auch > psychologisch ganz anders konstituierten, obrigkeits- und kommandogewohnten > Individuen auf den Weg der Selbstfindung, der später - reflektiert - in die > bewusste politische Gestaltung von Gesellschaft münden kann, in die > "Produktion der Verkehrsformen selbst", die "alle naturwüchsigen > Voraussetzungen zum ersten Mal mit Bewußtsein als Geschöpfe der bisherigen > Menschen behandelt, ihrer Naturwüchsigkeit entkleidet und der Macht der > vereinigten Individuen unterwirft" - mit einem Wort: zu Kommunismus im > Verständnis des jungen Marx (MEW 3, S. 70). Die umfasssendsten Erfahrungen mit _dieser_ Seite der gesellschaftlichen Verhältnisse - wenn sie dir so wichtig erscheinen wie mir - haben allerdings nicht die Proletarier, sondern die "am Markt agierenden Produzenten", also die klein- und mittelständischen Unternehmer, die ja (zumindest) nicht weniger zwischen den Mühlsteinen dieser Gesellschaft gefangen sind als die Proletarier. Selbst wenn diese Verhältnisse "hinter dem Rücken der Akteure als Zwangs­verhältnis" wirken. Denn deine Einschätzung > Das Kapital kann daher die Gesellschaftlichkeit des Tuns nicht zerbrechen, > *es ist selbst als Verhältnis Ausdruck dieser nicht vorhandenen > Gesellschaftlichkeit*. strotzt ja nur so von Antinomien, auch wenn du das im Weiteren versuchst aufzulösen. Wie kann etwas Ausdruck von nicht Vorhandenem sein? Das zugleich derart präsent und stark ist, dass es von diesem Etwas - dem Kapital - nicht zerbrochen werden kann, obwohl doch gar nicht vorhanden? Wieso wirkt das Kapitalverhältnis (ersetzen wir dabei gleich den Fetisch "Kapital" durch das "Verhältnis") anonym, wo doch wesentliche seine Elemente - die konkrete Gewinnprognose etwa - nicht nur im Kopf des Unternehmers vorhanden ist, bevor "das Kapital" überhaupt erst "investiert" wird, sondern für das Funktionieren des Systems auch erforderlich ist und die Adäquatheit der Prognose im realisierten Gewinn seine Bestätigung erfährt. Was, im Übrigen, den "schlechtesten Unternehmer vor dem besten Lohnarbeiter auszeichnet", um (MEW 23, S. 193) zu paraphrasieren. > Es (das Kapitalverhältnis - HGG) ist nichts als die entwickeltste Form > (wobei die Warenform die einfachste und unentwickeltste Form in dieser > Entwicklungslinie im Marxschen Ver­ständ­nis (nach meinem Kenntnisstand) > darstellt.) des UNGE­SELLSCHAFTLICHEN Verhältnisses der gesellschaftlichen > Individuen als Pri­vatei­gen­tümer zuei­nander. Wieso ist dieses Verhältnis "ungesellschaftlich", wo doch alles, vor allem die Preisbildungen, Gewinnerwartungen etc. (zumindest) mimetisch aufeinander bezogen sind. Und wo das nicht reicht, gibt es weitere gesellschaftliche Normierungen wie Tarifverträge, "state of the art" als implizites Requirement, explizite Verträge, in denen qualitative Parameter der gelieferten Güter fixiert und garantiert werden usw. und auf diese Weise ein Netz von Abhängigkeiten geschaffen wird, welches weit über den Moment des Tauschakts hinaus Wirkung entfaltet. Privateigentümer hier im Übrigen als Marktteilnehmer, also als Unternehmer. Nun der klassische unkommentierte und unhinterfragte Bruch von der Sicht Produzent = Unternehmer zur Sicht Produzent = Lohnarbeiter. > Die Dissoziation der Lohnabhängigen durch das Privateigentum, die nur durch > die Assozia­tion als selbstbewußte, gesellschaftliche ProduzentInnen zu > überwinden ist, als ih­re be­wußte Ent­scheidung, ihre eigenständige Tat. Was macht aus deiner Sicht den "dressierten Gorilla am Fließband", der genau die beschriebenen Dimensionen der /Befriedigung der Bedüfnisse anderer als Quelle der Befriedigung eigener Bedürfnisse/ bisher _nicht_ praktisch erfahren hat, zum "Retter der Welt"? Diese Frage steht für mich im Übrigen durchaus auch in der von dir weiter vorgetragenen Dimension > Die Stärke der Klasse ist nicht ihr politischer Zusammenschluß, die jüngste > Geschichte hat m. E. sogar ganz deutlich gezeigt, daß höllisch aufzupassen > ist, die politische Einheit nicht zu eng zu ziehen, weil sie sonst - aller > Klassenkampfrhetorik zum Trotz - unmöglich wird. Die Stärke der Klasse heute > ist ihre breite ökonomische Macht, die sich allerdings hinter dem > Kapitalcharakter aller Produktion verbirgt: die 'Arbeiterklasse' forscht, > sie erfindet, sie plant, sie produziert, sie verwaltet, sie verteilt und sie > konsumiert: sie macht alles und das alles macht sie sozusagen für sich > selbst. WIR für UNS! Das "wir für uns" ist ein Wunschbild, weil es den reflektierten Umgang mit dem eigenen Tun voraussetzt. Was aber weder von den angestellten Forschern, noch den Erfindern, Planern, Verwaltern etc. verlangt noch in der Mehrheit getan wird. Ich denke, eine solche Beobachtung, dass auch die Forscher in ihrer Mehrheit "dressierte Gorillas" - wenn auch besondere - sind, kann ich als Allgemeingut voraussetzen. Einen solchen Bezug hat Uli (siehe seinen Punkt 2.) im Übrigen inzwischen konsequent aufgegeben und postuliert (Uli, ich denke, du verstehst sehr gut, dass es nichts als ein Postulat ist) > Ich meine aber nicht mehr, dass diese Bedingungen durch irgendeinen > Klassenkampf aufgehoben werden können, nicht durch "die Erhebung des > Proletariats zur herrschenden Klasse", nicht durch die Diktatur des > Proletariats. > Ich schließe überhaupt eine solche Übergangsgesellschaft zwischen > Kapitalismus und Kommunismus aus, die durch irgendeine politische Macht > (auch nicht durch eine proletarische) konstituiert werden könnte. > Ich habe mich auch von der Annahme einer solchen ersten Phase des > Kommunismus verabschiedet, wie sie Marx in der Kritik am Gothaer Programm > beschreibt. Das ist nur konsequent, wenn man - am Lack jeder bisherigen einigermaßen detaillierten Utopie oder Alternative kratzend - darunter nichts als Spuren der kapitalistischen Wertverhältnisse findet *und* etwas sucht, das diese Eigenschaft nicht hat. Unvoreingenommen könnte man sich allerdings auch die Frage stellen, ob alle bisherigen Alternativen den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen haben - ob also vielleicht bereits /diese kapitalistische Gesellschaft/ die gesuchte Transformationsgesellschaft ist. Das würde einiges erklären - die konstant krisenhafte Entwicklung, das dauernde Umbrechen aller Produktionsverhältnisse usw. Und würde einiges implizieren - Tiefe und Dauer der Umbruchprozesse, die /vielfältige/ Umwälzung der Verhältnisse statt einmaliger, usw. Es würde allerdings zugleich die Keimformthese /deutlich/ relativieren. Aber das zu denken erlaubt sich Uli noch nicht. > 4. Wenn ich solchen Wert auf die Diskussion von geschichtlichen > Voraussetzungen des Kommunismus leben, dann heißt das NICHT, dass dieser aus > den inneren Logiken der kapitalistischen Produktionsweise ableitbar ist, > auch nicht, wenn die entfaltetsten Voraussetzungen gegeben wären. Es sind > Voraus-Setzungen einer möglichen Entwicklung. Die Voraussetzungen selbst > BEDINGEN aber den Kommunismus NICHT. Kapitalismus ist nicht unentfalteter > Kommunismus - wie Mathi in Hegelscher Konsequenz? wohl sagen würde? Und > dieser ist nicht ein vollendeter Kapitalismus. Ist der Schmetterling die "vollendete Larve"? So weit mal einige unaufgeforderte Gedanken von mir. Viele Grüße, hgg -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Re: Artikel Hubert Datum: Mon, 29 Jun 2009 10:43:04 +0200 (CEST) Von: Hubert Herfurth An: wak@opentheory.org Lieber HGG, deine Reaktion auf meinen schon etwas älteren Text zeigt, das er immer noch aktuelle ist, ich habe ihn daher in Gänze den Interessierten zur Verfügung gestellt https://docs.google.com/View?docid=dfr5rqhg_4dbcpx7g7&pageview=1&hgd=1&hl=de Auch wenn mich deine Reaktion insgesamt eher freut, finde ich doch, dass Du an einigen Stellen mit deinen Schlussfolgerungen übertreibst. Zunächst mal ist deine Interpretation für mich in Abgrenzung vom Stefan aber ganz wichtig, da in der Tat nicht ich irgendwen 'modeln' will, sondern das die uns umgebende Realität als 'Erzieher' wirkt > Und ein zweites zivilisatorisches Moment bringt dieser Markt mit sich: Er > /zwingt/ die am Markt agierenden Produzenten, sich - unter Androhung des > Entzugs der eigenen Existenzgrundlage - für die Bedürfnisse anderer > Produzenten zu interessieren, und legt so den Keim für ein neues WIR, das > erst in einer wirklich Freien Gesellschaft zur vollen Entfaltung kommen > wird. Auch wenn mir der Begriff "WIR" hier nicht wirklich gefällt, weil mir die Anzahl der Leute für die er gilt bzw. im Fall des Falles gelten müsste, mit ein paar Milliarden deutlich zu unübersichtlich ist, um es ganz vorsichtig auszudrücken. Deine dann folgende Schlussfolgerung kann ich noch in so weit teilen, als die kleinen Warenproduzenten und Kapitalisten wirklich nicht per se als äüßerer Feind eingeschätzt werden müssen, aber werden Sie damit sozusagen schon zum revolutionären 'Subjekt'? Ich hatte bereits in der Beschäftigung mit Bini Adamczaks Texten deutlich gemacht, dass der Antikommunismus mit großer Vorsicht zu betrachten ist. Denn nur eine vorschnelle Interpretation der Veränderungsbestrebungen in Richtung Kommunismus macht aus der Gegnerschaft gegen diese Veränderungsbestrebungen einen Antikommunismus. Entfällt der Freifahrtschein 'Kommunismus', d. h. werden die Anforderungen höher, die angedachten Veränderungsbemühungen auch dahin gehend begründen zu können, wird aus einem Antikommunismus womöglich schnell der Kampf gegen den "rohen" (Marx) und daher unechten Kommunismus und damit womöglich selbst ein dem echten Kommunismus näher stehendes Anliegen als zunächst gedacht. Dein Text im Anschluss macht dein Bestreben dann klarer (wenn ich es richtig verstehe), denn Du scheinst zu glauben, dass die Wertform selbst schon Ausdruck einer Befreiung sein kann. Das glaube ich in der Tat nicht, habe aber i. A. nicht die Zeit, dass näher zu erläutern. Den Gedanken vom Kapitalismus als Übergangsgesellschaft wiederum finde ich sehr interessant. Auch in einer anderen Interpretation setzt Du aber zu sehr am Schein der Begriffe an. > Denn deine Einschätzung >> Das Kapital kann daher die Gesellschaftlichkeit des Tuns nicht zerbrechen, >> *es ist selbst als Verhältnis Ausdruck dieser nicht vorhandenen >> Gesellschaftlichkeit*. > strotzt ja nur so von Antinomien, auch wenn du das im Weiteren versuchst > aufzulösen. Wie kann etwas Ausdruck von nicht Vorhandenem sein? Das zugleich > derart präsent und stark ist, dass es von diesem Etwas - dem Kapital - nicht > zerbrochen werden kann, obwohl doch gar nicht vorhanden? Du solltest bei deiner Interpretation berücksichtigen, dass es hier auf den Blickwinkel und den Grad der Abstraktion ankommt. Die negative Sicht dient nur der Verdeutlichung, fasst man es positiv, verliert der Ausdruck seine von dir hinein interpretierte Zauberkraft. Im übrigen kann "etwas" Ausdruck von "etwas nicht vorhandenem" nur aufgrund seiner Widersprüchlichkeit und damit seinem 'in Bewegung sein' sein, oder? Das gleiche gilt darüber hinaus auch für deine dressierten Gorilla, die immer zugleich auch schon mehr sind, auch wenn dies unter den herrschenden Bedingungen verdeckt ist. Besser wäre also davon zu sprechen, dass ALLE gesellschaftlich zugewiesene Rollen zu spielen haben und zu spielen gezwungen sind, dass aber niemand total eins mit seiner Rolle ist (die Frage also mehr darum geht, wie man die Rolle sprengt. Auch ein Schauspieler ist nie der in dessen Rolle er schlüpft. > Privateigentümer hier im Übrigen als Marktteilnehmer, also als > Unternehmer. Nun der klassische unkommentierte und unhinterfragte Bruch von > der Sicht Produzent = Unternehmer zur Sicht Produzent = Lohnarbeiter. "Unternehmer" sind keine Produzenten, sie lassen produzieren und organisieren dies und die Verteilung des Produzierten, um den Hintergrund deines "Bruches" zu verdeutlichen, der damit nicht so voraussetzungslos ist wie Du tust. So weit erst mal. Wichtig - neben der Fortsetzung von allen offenen Fragen (allerdings auch oft ziemlich unübersichtlichen Fragen) - ist für mich die Beschäftigung mit Stefans Behauptung > Was soll denn »alle Gesellschaftlichkeit« sein? Es gibt nur /die/ > Gesellschaftlichkeit, aber nicht mehrere davon (und auch keine extra > »kommunistische«). Vielleicht meinst du die historisch unterschiedlichen > Formen? Aber dann wird es wieder sehr einfach: Ja, Kommunismus ist eine > andere gesellschaftliche Form. Aber der gesellschaftliche Mensch ist immer > noch der gleiche. Ich staune darüber, wie solche Sätze unwidersprochen stehen bleiben können, verunklaren sie doch jede Grundlage aller gesellschaftlichen Entwicklung. Da die Marxschen Texte ja immer schon voraus gesetzt werden müssen (was meine 'Sprachlosigkeit' hier verstärkt) empfehle ich zur Lektüre mal Michael Heinrichs Kommentar zum Lesen des Kapitals (wie das Marxsche Kapital lesen?) S. 163ff und erhoffe speziell zu diesem Punkt mehr Kommentare (begründetre Kritiken / Zuspruch von Dritten)! Auch Uli sei noch an meine Bitte erinnert, für seine Interpretationsrichtungen meiner Ausführungen mal ein paar Erklärungen zu bringen (das muss ja alles nicht lang sein). Und schon mal als Vorgriff: Wenn ich mich in den nächsten 4 Wochen nicht wie gewohnt melde, hat das nichts mit inhaltlichen Gründen zu tun, sondern ist allein den Ferien geschuldet..... beste Grüße Hubert -------- Original-Nachricht -------- Betreff: Re: [ot:wak] Re: Artikel Hubert Datum: Sat, 4 Jul 2009 15:55:22 +0200 (CEST) Von: Hans-Gert Gräbe An: wak@opentheory.org Hubert Herfurth schrieb: > deine Reaktion auf meinen schon etwas älteren Text zeigt, das er immer noch > aktuell ist, Lieber Hubert, dein Rekurs auf Holloway greift einen Aspekt der Debatte um ein adäquates Verständnis von "Gesellschaftlichkeit" auf, der nicht erst seit dem Krach im Nachgang von Hütten 2006 http://www.hg-graebe.de/Texte/Huetten-06.html in diesem Diskussionskreis nur mit spitzen Fingern angefasst wird, weil er mit wohlfeilen Gebetsformeln in Konflikt steht. Dass es auch in anderen Diskursen (KW48) ähnliche Reaktionsmuster gibt, ist nicht nur bedauerlich, sondern vor allem ein Hinweis darauf, dass hier offensichtlich ein grundlegendes Problem linker Theoriebildung liegt. Diese spezifische Art des Ausblendens von Offensichtlichem habe ich in einem anderen Text (zur Wissenschaftspolitik) als "blinden Fleck" bezeichnet. > Wenn die Wertformen/der Wert der Ausdruck der ungesellschaftlichen > Gesellschaftlichkeit ist, dann muß die Abschaffung der Wertformen mit der > Abschaffung der Ungesellschaftlichkeit bzw. der Schaffung der neuen > Gesellschaftlichkeit Hand in Hand gehen Ich gebe zu bedenken (wie auch Wolf, der dasselbe gebetsmühlenartig seit vielen Jahren mit seiner "Tasse Kaffee" wiederholt), ob die heute existierende "Gesellschaftlichkeit" (die ja sinnvollerweise erst einmal zu analysieren wäre, ehe man sich ans Umgestalten macht) wirklich so ungesellschaftlich sein kann wie hier dauernd behauptet. Immerhin sind ja marktwirtschaftliche Verhältnisse in großen Bereichen außerordentlich effizient in der Vermittlung genau der passenden stofflichen und produktionslogischen (also gebrauchswertseitigen) Kontakte und haben damit die (propagiert) gesellschaftliche Gesellschaftlichkeit eines "Realsozialismus", eine - nach Kurz - staatskapitalistische Spielart, "outperformed", wie man es heute wohl in bestem DEnglish ausdrückt. Man muss nichts von all dem gut heißen, nur ins Verhältnis dazu muss man sich schon setzen, wenn man nach Keimformen einer - offensichtlich auch grundlegend neuen - Gesellschaftlichkeit sucht. Das habe ich in meinem MaWi-Paper getan, das genauso alt ist wie dein Grundrisse-Text. > Auch wenn mir der Begriff "WIR" hier nicht wirklich gefällt, weil mir die > Anzahl der Leute für die er gilt bzw. im Fall des Falles gelten müsste, mit > ein paar Milliarden deutlich zu unübersichtlich ist, um es ganz vorsichtig > auszudrücken. Das wird dort zentral thematisiert im "Korngrößendilemma". Es kann nur um eine granulare, organismische Struktur mit Innen- und Außenverhältnissen gehen wie sie überall sonst in der Natur in höherentwickelten Biotopen auch anzutreffen ist. Spannend in dem Zusammenhang die Ausstellung zum Amazonas-Regenwald im Leipziger Panometer - falls du mal in der Gegend weilen solltest, ein unbedingtes Muss. Das hatte ich bereits in Hütten vor immerhin 2 Zuhörern entwickelt. Brauchbare Ansätze in leicht anderer Richtung sind dann weiter im Konzept der "integrierten Gesellschaft" in einem weiteren Teilnehmerkreis von Hütten, der Gruppe um Kai Ehlers und Stefan Matteikat, entstanden mit einem interessanten Symposium Anfang 2008 in Niederkaufungen http://www.s128952233.online.de All das greift Holloways Gedanken vom Begriff "Tun" in Abgrenzung zum Begriff "Arbeit" in vollkommen anderer Weise auf als dies in Werner Imhofs Replik geschieht. Ob das Holloway gerecht wird, kann dabei dahingestellt bleiben, denn das Buch war ja vor allem deshalb so bedeutsam, weil es in sehr verschiedenen Diskursen Anstöße vermittelt hat, die weit über das vom Autor Beabsichtigte (wenn es so was überhaupt gab) hinausreichen. > Denn nur eine vorschnelle Interpretation der Veränderungsbestrebungen in > Richtung Kommunismus macht aus der Gegnerschaft gegen diese > Veränderungsbestrebungen einen Antikommunismus. Entfällt der Freifahrtschein > 'Kommunismus', d. h. werden die Anforderungen höher, die angedachten > Veränderungsbemühungen auch dahin gehend begründen zu können, wird aus einem > Antikommunismus womöglich schnell der Kampf gegen den "rohen" (Marx) und > daher unechten Kommunismus und damit womöglich selbst ein dem echten > Kommunismus näher stehendes Anliegen als zunächst gedacht. Nun, ein wirksameres Label als "Antikommunist" (oder gar "Faschist", was besonders "Irrenden" wie Hoevels dann auch schon mal vorgeworfen wird) ist natürlich "Apologet". Es ist Teil des Dilemmas der Linken - und ein psychoanalytisch bestens verstandenes Phänomen -, die Debatte mit derartigen Projektionen zu belasten. Das alte System ist halt extrem zäh und klebt in allen Poren unseres Denkens. > Dein Text im Anschluss macht dein Bestreben dann klarer (wenn ich es richtig > verstehe), denn Du scheinst zu glauben, dass die Wertform selbst schon > Ausdruck einer Befreiung sein kann. Das glaube ich in der Tat nicht, habe > aber i. A. nicht die Zeit, dass näher zu erläutern. Den Gedanken vom > Kapitalismus als Übergangsgesellschaft wiederum finde ich sehr interessant. Wie gesagt, dazu gibt es Texte von mir, in denen das genauer ausgeführt ist. Ich verwende (inzwischen) bereits andere Begrifflichkeiten als du hier und spreche von Wertformen nur noch im Plural. Im Singular gibt es bei mir (als abstrakt-allgemeine Begriffe) Wertverhältnis und Kapitalverhältnis (wo mich interessieren würde, wie du diese auch für dich zentralen Begriffe gegeneinander abgrenzt) und daneben (auf konkret-allgemeiner Ebene) Wertverhältnisse und Kapitalverhältnisse. Wobei der Unterschied so ähnlich ist wie beim Fallgesetz - auf abstrakt-allgemeiner Ebene fallen Eisenkugel und Feder gleich schnell, auch wenn das auf konkret-allgemeiner Ebene der "gesunde Menschenverstand" bestreitet. In diesem Sinne ist das Wertverhältnis (auf abstrakt-allgemeiner Ebene) im Kern ein Bilanzverhältnis und seine Bewegungsformen folgen einem Erhaltungssatz. Das vielleicht auch als kleine Replik auf Annette, denn ich kann durchaus nachvollziehen, dass auch du mit "ungesellschaftlicher Gesellschaftlichkeit" wenig anfangen kannst. > Annette: Ich gehe NICHT davon aus, dass die Gesellschaftlichkeit als solche > erst internalisiert werden müsste. Gesellschaftlich ist jedes menschliche > Individuum - allerdings entwickelt es sich in eine bestimmte > Gesellschaftsform hinein, die historisch auch anders sein könnte. Aber da in > der Diskussion beides immer wieder durcheinander geht, und ich nicht genau > zuordnen kann, wer wann welches Wort wofür verwendet, halte ich mich eher > zurück. Wenn wir uns irgendwann mal einig werden sollten, dass man auch von "Gesellschaftlichkeit" dieser Gesellschaft sprechen kann, müssen dann auch genauere Begriffe her, in denen man darüber raisonnieren kann. > Besser wäre also davon zu sprechen, dass ALLE gesellschaftlich zugewiesene > Rollen zu spielen haben und zu spielen gezwungen sind, dass aber niemand > total eins mit seiner Rolle ist (die Frage also mehr darum geht, wie man die > Rolle sprengt. Auch ein Schauspieler ist nie der in dessen Rolle er > schlüpft.) Der Unterschied ist allein, dass der Schauspieler nach dem Spektakel nach Hause geht, während die Menschen aus ihren "gesellschaftlich zugewiesenen" (von wem?) Rollen nicht so einfach ausbrechen können. Ich spreche in dem Zusammenhang lieber von der "Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen", denn auch die Rollen sind nicht fix. Allerdings überlagern sich dabei viele Prozesse, die auf sehr unterschiedlichen Zeitschienen ablaufen und deshalb analytisch schwer zu fassen sind. >> Nun der klassische unkommentierte und unhinterfragte Bruch von der Sicht >> Produzent = Unternehmer zur Sicht Produzent = Lohnarbeiter. > "Unternehmer" sind keine Produzenten, sie lassen produzieren und > organisieren dies und die Verteilung des Produzierten, um den Hintergrund > deines "Bruches" zu verdeutlichen, der damit nicht so voraussetzungslos ist > wie Du tust. "Bruch" bezieht sich auf Marx selbst, denn gerade in K1 wird "Produzent" synonym und wechselseitig bunt durcheinander für beide Begriffe verwendet. Ansonsten kann ich mit "lassen produzieren und organisieren dies und die Verteilung des Produzierten" als Charakteristikum nicht viel anfangen, denn da sind im heutigen Produktionsgefüge die Linien zwischen Angestellten und Selbstständigen ja doch wohl mehr als verwischt. Mein klares Unterscheidungskriterium ist "Produktion auf fremde Rechnung" vs. "Produktion auf eigene Rechnung", "Produktion" in einem weiten Sinne. Die Linien verwischen sich heute allerdings weiter, was ja auch realweltlich am Begriff der "Scheinselbstständigkeit" zu sehen ist. Viele Grüße, hgg