(c) H.-G. Gräbe, 12/2010 Quelle: http://www.hg-graebe.de/Texte/Kommentare/10-12-21.txt ================================================================ Zu "Halina macht Internet" von Sebastian Koch, 14.12.2010 http://blog.die-linke.de/digitalelinke/halina-macht-internet Lieber Sebastian Koch, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, zumal das weitere Schicksal dieses Beitrags bekannt ist und auch die Suche nach dem Wort "Internet" über die Protokolle der acht Foren des Programmkonvents [1] 0 (in Worten: null) Treffer liefert - immerhin aber stehen die Sachen im Netz, so dass sich eine kritische Öffentlichkeit authentisch informieren kann. Falls es also jetzt doch langsam einigen Damen und Herren auch in den Führungsetagen dieser Partei ernst sein sollte mit einer Annäherung an das kontroverse Thema "Internet", so wäre zunächst eine unvoreingenommene Bestandsaufnahme zu empfehlen, um nicht mehr als nötig in die gewetzten Messer (Das Interview [2] mit Klaus Ernst, ND 21.12.2010, spricht Bände) zu laufen. Und da wären aus meiner Sicht zu nennen: (1) Edellinke Zitierkartelle - alte (Luxemburg) wie neue (Prager Frühling) - haben nach der Vereinigung von WASG und PDS zur LINKEN die parteinahe Medienlandschaft neu geordnet und voll unter die eigene Kontrolle gebracht. Die vagen Ansätze in Richtung Blochscher "konkreter Utopien" - zu denen das Internet und seine neuen Praxen zweifellos gehören - sind dabei mit dem Ende von "Utopie kreativ" zugunsten eines Schwimmens im linken Mainstraam weitgehend begraben worden. Einzig aus dem "Rat der Alten" kam leiser Protest, siehe Christa Lufts kritische Worte in |3] - die einzig kritischen überhaupt in jenem Sonderheft. (2) Linke Aktivisten haben die neuen Medien entdeckt (Blogs und Newsletter) und nutzen sie, um die eigenen Ideen und Positionen "unters Volk", auch unters Internet-Volk zu bringen. Meist unidirektionale Kanäle, nicht affirmative Beiträge werden kurz abgebürstet oder man schweigt gänzlich - ein inzwischen auch "höchstricherlich" sanktioniertes Vorgehen, wie die sächsische LSK [4] (auch wenn Herr Ernst [2] wettert - danke für die klare Positionsbestimmung in den Begründungen der genannten Entscheidungen, insbesondere zu Verfahren (7)) als sachgerecht und in Übereinstimmung mit den programmatischen Grundsätzen dieser Partei befunden hat. (3) Mit LIMA läuft ein Projekt mit großer Resonanz, um "Parteikader" unter Leitung von "Parteisoldat Nitz" (O-Ton in Leipzig am 1.4.2009 [5]) für den agitativen Gebrauch der neuen Medien fit zu machen; ähnlich der Tenor in verschiedenen Gruppen auf http://linksaktiv.de. Auch hier primäre Nutzung als unidirektionales Medium unter dem alten Avantgarde-Slogan "Linke (also unsere) Positionen mehrheitsfähig machen", in guter Tradition weit älterer Wurzeln eines Elitedenkens, deren Bloßlegung etwa in der Leipziger Aufführung der "Zauberflöte" - Marx als Gehilfe Sarrastros - zu einigem Eklat führte. (4) Es gibt eine Reihe spannender Projekte der Politikanalyse wie http://nachdenkenseiten.de, auch innerparteilicher Analyse wie http://www.scharf-links.de, die aber mit Blick auf die Unabhängigkeit der Argumentation eher kritisch beäugt werden. (5) Am Rand der Landschaft der Parteimedien gibt es schließlich erste eigene Aktivitäten wie http://linksaktiv.de oder diesen Blog hier, mit denen der Versuch gestartet wird, die neuen medialen Möglichkeiten auch dialogisch konsequenter aufzunehmen. Es mag gute Gründe für eine Partei wie die LINKE und deren Führung geben, die Kampagnenfähigkeit ("'nossen, zurück zur Sacharbeit") gegenüber einer Denk- und Diskursfähigkeit zu betonen, gerade auch in einer Zeit des Zusammenwachsens, obwohl die mit neuen Tönen aus dem Saarland ("parteischädigendes Verhalten") weiter vestärkte Linie der Ausgrenzung anders Denkender ("Reisende soll man nicht aufhalten") virulente Erinnerungen im Wendeossi (Harry Tisch: "Wir weinen ihnen keine Träne nach") wachrufen. Die neue Beteiligungs-Kultur im Internet geht so definitiv nicht und sie hält probate Mittel gegen jede Form derartiger Zensur hoch: "Zensur wird als Störfall betrachtet und umgangen" - das Netz ist groß genug, um sich an einem anderen Platz zu treffen, dann gern auch ohne die LINKE. Die Marginalisierung einst mächtiger kommunistischer Parteien in fast ganz Westeuropa zeigt, wo eine solche Reise hingeht. Links: [1] [2] [3] Christa Luft: Das Kuratorium – unabhängig und gemischt. Rosalux, Sonderausgabe 2010, S. 11, , Leider nicht als Separatum online [4] Schieds- und Schlichtungsverfahren mit Beteiligten aus dem Leipziger Stadtverband [5] Schein und Sein - DIE LINKE und die Medien. Sozialistische Politik in einer neoliberalen Medienwelt - Verständnis und Zugangsmöglichkeiten. Mit Christoph Nitz, Berlin